Die norwegische Sprache (Eigenbezeichnung: norsk, sprich: [norschk] oder [norsk]) gehört zum nordgermanischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen. Sie wird von ca. 5 Millionen Norwegerinnen und Norwegern als Muttersprache gesprochen, von denen der größte Teil in Norwegen lebt, wo es Amtssprache ist.
Norwegisch wurde in zwei offiziellen Formen standardisiert: Bokmål (Standard-Norwegisch) und Nynorsk (Neu-Norwegisch). Ersteres, oft einfach Norsk, Norwegisch, genannt, wird von rund 90 % der Bevölkerung geschrieben und ist linguistisch gesehen keine Einzelsprache, sondern ein partiell norwegisiertes Dänisch und somit eine Tochtersprache desselben. Nynorsk hingegen tendiert zu den westskandinavischen Sprachen Färöisch und Isländisch. Beide Varianten haben im weitern jeweils Elemente, die sie mit dem Schwedischen teilen. Norweger, Dänen und Schweden verstehen sich gegenseitig relativ gut, wobei Norweger beide Völker sprachlich besser verstehen als diese sich untereinander. Auch haben Norweger die besseren Voraussetzungen, sich mit Färingern und Isländern zu unterhalten.
Geschichte
In Norwegen gab es immer eine Vielzahl verschiedener Dialekte. Wegen der Topographie mit vielen Gebirgen und Tälern konnten sich die Dialekte sehr unterschiedlich voneinander entwickeln, obwohl die Abstände zwischen zwei Orten relativ klein waren. Aus diesem Grund, aber auch wegen der dänischen Vorherrschaft mit Dänisch als Amtssprache über Jahrhunderte hinweg, konnte sich nie eine einheitliche Aussprache etablieren, die vergleichbar dem Standarddeutsch wäre. Das macht heutzutage in Norwegen die Verständigung nicht unbedingt einfacher, gibt dem Norwegisch Lernenden aber auch eine gewisse Freiheit im Erlernen der korrekten Aussprache, da das norwegische Ohr gewisse Schwankungsbreiten gewöhnt ist. Was die norwegische Schriftsprache betrifft, so muss von zwei norwegischen Sprachen gesprochen werden.
Der Ursprung der norwegischen Sprache liegt im Altnordischen, das dem Isländischen sehr ähnlich ist. In der Hansezeit war Niederdeutsch (Plattdeutsch) die Verkehrssprache des Nordens. Viele niederdeutsche Wörter wurden als Fremdwörter und Lehnwörter integriert. Von 1380 bis 1814 war Norwegen mit Dänemark vereinigt und wurde von Kopenhagen aus regiert. Durch diese Periode, die als Personalunion begann, wurde Norwegen immer schwächer und 1450 das Norwegische offiziell durch Dänisch ersetzt.
Die auf dem Lande gesprochenen Dialekte wurden aber weiterhin gesprochen. Nach der Trennung von Dänemark entstand eine national-romantische Welle, und darin eine Bewegung für eine Rekonstruktion der alten norwegischen Sprache. Das Dänische hatte sich aber inzwischen als Amtssprache so weit gefestigt, dass sich die norwegische Sprache in zwei Varietäten trennte: Riksmål (Reichs-Sprache, oder Standardnorwegisch) und Landsmål (Landes-Sprache).
Die Erste war bis Anfang des 20. Jahrhunderts (fast) reines Dänisch, später wurden aber einige Anpassungen durchgeführt (dano-norwegisch). Landsmål ist eine Sprache, welche von dem Dichter und Sprachwissenschaftler Ivar Aasen in den 1850er Jahren vornehmlich aus westlichen norwegischen Dialekten entwickelt wurde. Was sie jedoch von einer Plansprache unterschied, war die Tatsache, dass sie auf eng verwandte, gemeinsame sprachliche Wurzeln zurückgriff, denen nur aus äußeren Gründen die natürliche Entwicklung zu einer gemeinsamen Sprache verwehrt blieb.
Seit 1929 heißt Riksmål offiziell Bokmål und "Landsmål wird als Nynorsk bezeichnet.
Aufgrund des erstarkten Nationalbewusstseins konnte Nynorsk bis 1944 immer mehr Anhänger gewinnen und hatte seinerzeit knapp ein Drittel der Norweger auf seiner Seite. Inzwischen ist deren Anteil bevölkerungsmäßig auf etwa 10-12 % geschrumpft. Dies hat mehrere Gründe: In den urbanen Gebieten, also vor allem in der Region Oslo, wird Nynorsk als befremdliche Sprache empfunden. Das städtische Bürgertum hat das auf ländlichen Mundarten basierende Nynorsk ohnehin stets abgelehnt. Folglich fehlt dem Nynorsk bis heute eine wirkliche Verankerung in den wirtschaftlichen und politischen Zentren. Zum anderen wird von manchen Landbewohnern besonders Ostnorwegens Nynorsk eher als Kunstprodukt angesehen, da es eben nur so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner der Dialekte ist. Und schließlich ist die Grammatik des Nynorsk schwieriger als die des Bokmål. Bekanntlich wird oft der Weg des Einfacheren beschritten.
Umgekehrt muss gesagt werden, dass dennoch die meisten norwegischen Dialekte dem Nynorsk näher stehen als dem Bokmål, welches einige dem Norwegischen zum Teil ganz fremde phonologische, morphologische und sonstige grammatische Züge aufweist. Nynorsk ist Amtssprache für 27% der Gemeinden mit 12% der Bevölkerung. Es handelt sich dabei um die allerdings dünn besiedelten Täler des fjordreichen Westens und des gebirgigen Landesinnern. Seitens des Staates sind beide Sprachformen offiziell anerkannt; gemäß Sprachengesetz darf keine Behörde eine der beiden zu mehr als 75% gebrauchen (was in der Praxis allerdings oft nicht befolgt wird), und Anfragen müssen in der gleichen Sprachform beantwortet werden.
Das Sprachabkommen im Nordischen Rat garantiert zudem, dass Dänisch und Schwedisch im offiziellen Schriftverkehr erlaubt sind. Das gilt gegenseitig.
Es wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Rechtschreibreformen durchgeführt mit dem Versuch, beide Schriftsprachen einander anzunähern. So wurde in der Reform von 1917 auf Druck der Nynorsk-Bewegung eine Reihe spezifisch "norwegischer" Ausdrücke propagiert, die traditionelle dänische Begriffe ersetzen sollten. Da dies nicht in dem Maße geschah, wie man es sich vorgestellt hatte, wurde 1938 eine weitere Reform verabschiedet: zahlreiche traditionelle dänische Elemente durften nicht mehr gebraucht werden. Diese Sprache wurde aber von keiner der beiden Seiten angenommen. Es kam zu großen Streitigkeiten, Eltern korrigierten beispielsweise die Schulbücher ihrer Kinder, weil der Konflikt sehr stark von Gefühlen geprägt war und auch nach wie vor ist. 1959 und 1981 fanden weitere Reformen statt, die dann auch wieder die traditionell dänischen Begriffe zuließen. Ergebnis ist die Existenz von "moderaten" und "radikalen" Formen im Rechtschreibnormal, zwischen denen man wählen darf, wobei beide Sprachen offiziell unterrichtet werden.
Ein Beispiel für den Unterschied zwischen Bokmål und Nynorsk:
Bokmål: Jeg kommer fra Norge.
Im Dänischen: Jeg kommer fra Norge.
Nynorsk: Eg kjem frå Noreg.
Deutsch: Ich komme aus Norwegen.
Bokmål: Hva heter du?
Nynorsk: Kva heiter du?
Deutsch: Wie heißt du?
Artikel vom 26. October 2004